BODYSHAMING.

Der Aufreger der Stunde! Bisher galt folgernde Regel: Wer nicht gut aussieht, ist selbst Schuld! Das haben uns Castingshows und einschlägige Frauenmagazine lange eingetrichtert. Nun kommt frohe Kunde und Entwarnung aus der gleichen Ecke: man muss, nein, man darf sich ab sofort nicht mehr schämen für sein äußeres Erscheinungsbild. Im Gegenzug darf man allerdings auch nicht mehr mit dem Finger auf andere zeigen, die optische Erwartungen nicht erfüllen. Ab sofort sind per Ordre de Mufti alle schön!

Spoileralarm: wo alles schön ist, ist nichts schön!

Dass junge Mädchen aussehen wollen wie aus dem 3D-Drucker ist ein Phase und erledigt sich irgendwann von selbst. In den Jahren der Selbstfindung neigt man nun mal zu Beklopptheiten und überdeutlichen Statemants. Meine Freundinnen und ich haben als Teenies heftig Gauloises geraucht, um einen möglichst existentialistischen Eindruck in unseren schwarzen Rollis zu machen. Gesund war das nicht, aber überlebensnotwendig. Vong Entwicklung her, würde man heute sagen.

Die Zeiten sind besser geworden. Früher, damals, reichte es, wenn Mädchen Brillenträgerinnen waren. Dann war für Entertainment auf dem Pausenhof gesorgt. In der Disko mussten die Dicken auf die Handtaschen aufpassen, während sich die Schlanken mehr oder weniger verführerisch auf der Tanzfläche räkelten. Das alles war auch Stoff für drollige Komödien, über die man sich arglos kaputt gelacht hat.

Frauen ziehen sich neuerdings im Internet aus, um Selbstbewusstsein trotz mangelnder Perfektion zu demonstrieren. Immer die Frauen und immer nackich! Angezogen ist der Anblick wohl nicht überzeugend. Lerneffekt: Frauenkörper sind unterschiedlich! Donnerknispel, das ist mal ein Erkenntnisgewinn! Wichtig ist nur, dass einhellig bestätigt wird, dass alle schön sind.

Unterschwellig wird durch diese Aktion allerdings noch eine andere, wenig selbstbewusste Botschaft vermittelt: habt mich lieb trotz Hängebusen. Think about it!

Dafür zeigen sich Frauen in Herrenmagazinen und Sportkalendern nun angezogen. Die besonders Schönen bedecken sich, die weniger besonders Schönen ziehen blank. Joooaaahh, kann man machen. So kommen alle mal dran.

Unsere Männer nehmen sich wie immer meist aus der Schusslinie. Dabei konnten sie auch nie ungeschönt durch’s Leben schlurfen, unbelastet von gesellschaftlicher Erwartungshaltung. Wer erinnert sich noch an die Zeit gepuderter Lockenperücken, ausgestopfter Hosen und Schnallenschuhen mit Absätzen? Niemand, und das ist auch gut so. Denn wehe denen, die mit Glatze, Hühnerbrust oder suboptimaler Körpergröße ausgestattet waren. Absolutes no-go und drohende soziale Schräglage.

Im Zweifelsfall half die Uniform. Darin sieht jeder Mann gut aus. Brust und Schultern sind gepolstert, Schulterriegel und doppelte Knopfreihen machen auch Hänflinge zu Heldenfiguren. Dazu eine schmal geschnittene Taille, Reiterhosen und hohe Stiefel und fertig ist der Supermann, ganz ohne Bildbearbeitung.

Jeder gute Herrenschneider nutzt auch heute noch altbewährte Tricks und weiß sein Handwerk sogar auf die unterschiedlichen Erfordernisse von Rechts- und Linksträgern anzuwenden. Männer machen trotzdem, anders als Frauen, nicht so ein Gewese um ihre Optimierung.

Es mangelt ihnen eben weniger an Selbstbewusstsein, mit normierter Schönheit mitzuhalten ist wenig erstrebenswert. Leider, muss man sagen! So manchem Zeitgenossen, der unbeirrt seinen Bierbauch im knappen T-Shirt vor sich herschiebt, würde etwas selbstverordnetes Bodyshaming ganz gut tun und den Mitmenschen auch. Aber das ja nicht mehr erlaubt……